Rettungsring auf der Seebrücke
Wichtige Hinweise zum Tod durch Ertrinken – es ist anders als man denkt

Was Sie über das Ertrinken wissen sollten, um die Gefahr rechtzeitig zu erkennen.

In Deutschland sterben jährlich mehr als 400 Menschen durch Ertrinken. Das Erschreckende hierbei ist, dass die Betroffenen in vielen Fällen von anderen Badegästen beobachtet werden – aber nicht, weil sie ratlos sind, sondern weil sie die Situation falsch einschätzen und keine Ahnung haben, dass sich diese Person gerade in einer lebensgefährlichen Situation befindet. Denn entgegen der Annahme, dass ertrinkende Personen durch lautes Geschrei und Gewinke auf sich aufmerksam machen wollen, passiert genau das Gegenteil: Ertrinken sieht nicht nach Ertrinken aus! Kein panisches Gestrampel, keine Schreie.

Mario Vittone, Rettungshubschrauberpilot und Rettungsschwimmer der U.S. Coast Guard, kann auf eine langjährige Erfahrung zurückblicken und hat schon unzähligen Menschen das Leben gerettet. In seinem Artikel “Drowning Doesn´t Look Like Drowning” schildert er das Phänomen des Ertrinkens und hat damit für viel Aufsehen gesorgt.

Der nachfolgende Artikel ist eine Übersetzung aus dem Original.

Der leise Tod des Ertrinkens

Als der Kapitän voll bekleidet von Bord sprang und durch das Wasser lief, irritierte er die anderen Badegäste, die im Wasser schwammen. „Nicht, dass er jetzt denkt, du ertrinkst“, sagte der Mann zu seiner Frau, da sie sich kurze Zeit zuvor mit Wasser bespritzt und geschrien hatten. „Was macht er hier?!“, fragte die Frau leicht gereizt ihren Mann. „Es geht uns gut!“, rief der Mann dem Kapitän zu. Aber der Kapitän ließ sich nicht aufhalten. Er schwamm unnachgiebig an dem Pärchen vorbei und schrie nur kurz „weg da!“. Denn direkt hinter ihnen, nur wenige Meter entfernt, war die neunjährige Tochter gerade dabei zu ertrinken. Der Kapitän kam in allerletzter Sekunde. Das Mädchen fing an zu weinen und schluchzte: „Papa!“.

Woher wusste der Kapitän aus so vielen Metern Entfernung, dass die Tochter gerade dabei war zu ertrinken obwohl sowohl Mutter als auch Vater dies aus weniger als drei Metern nicht erkennen konnten?

Der Kapitän ist ein ehemaliger Rettungsschwimmer der Küstenwache und hat durch eine fachliche Ausbildung gelernt, die Gefahren des Ertrinkens rechtzeitig zu erkennen. Und nein, wenn jemand ertrinkt, dann wird nicht, wie es oft im Fernsehen gezeigt wird, wild geschrien und gewunken.

Sie sollten sicherstellen, dass Sie die Anzeichen des Ertrinkens erkennen. Denn bis die neunjährige Tochter mit letzter Kraft „Papa“ sagte, hatte sie nicht einen Ton von sich gegeben. Das Ertrinken ist fast immer ein ruhiger und wortloser Vorgang. In der Realität wird selten gewunken, geschrien oder wie wild gestrampelt.

Das, was Menschen tun, um tatsächliches oder vermeintliches Ertrinken zu verhindern, hat Dr. Francesco A. Pia die instinktive Reaktion (The Instinctive Drowning Response) genannt. Es gibt kein Geschrei, kein Gespritze und kein Gewinke. Überdenken Sie Folgendes: Der Tod durch Ertrinken ist der zweithäufigste Unfalltod (nach Verkehrsunfällen) bei Kindern bis zu einem Alter von 15 Jahren. Auch im nächsten Jahr werden wieder Kinder ertrinken. Etwa die Hälfte wird in einer Entfernung von nicht mehr als 20 Metern von einem Elternteil ertrinken. Und in 10% dieser Fälle wird ein Erwachsener sogar zusehen und keine Ahnung davon haben, was da gerade geschieht. Ertrinken sieht nicht aus wie ertrinken!

Auf folgende Anzeichen müssen Sie beim Baden achten

Dr. Pia erläuterte die instinktive Reaktion auf das Ertrinken in einem Artikel im Coast Guard´s On Scene Magazine:
1. In den meisten Fällen sind ertrinkende Menschen physiologisch nicht dazu fähig, Hilfe zu rufen. Da das Atmungssystem auf das Atmen ausgelegt ist und die Sprache die zweite, überlagerte Funktion darstellt, muss zunächst die Atmung sichergestellt werden, bevor die Sprachfunktion stattfinden kann.

2. Da sich der Mund beim Ertrinken unter der Wasseroberfläche befindet und nur kurzzeitig wieder aus dem Wasser auftaucht, ist die Zeit für das Ausatmen, Einatmen und für einen Hilferuf zu kurz. Sobald sich der Mund einer ertrinkenden Person über der Wasseroberfläche befindet, wird schnell ausgeatmet und wieder eingeatmet, bevor der Kopf wieder unter Wasser abtaucht.

3. Ein Herbeiwinken ist nicht möglich. Die Arme werden instinktiv seitlich ausgestreckt und von oben auf die Wasseroberfläche gedrückt. Diese Schutzfunktion soll den Körper über der Wasseroberfläche halten, um weiter Atmen zu können.

4. Eine bewusste Steuerung der Arme ist bei einer instinktiven Reaktion auf das Ertrinken nicht möglich. Ertrinkende Menschen sind aus physiologischer Sicht nicht dazu fähig, das Ertrinken durch bewusste und gesteuerte Bewegungen abzuwenden. Ein Winken nach Hilfe ist also nicht möglich.

5. Während der Dauer des Ertrinkens befindet sich der Körper aufrecht im Wasser. In der Regel können sich Ertrinkende nur 20 bis 60 Sekunden an der Wasseroberfläche halten, bevor sie untergehen. Nicht viel Zeit für einen Rettungsschwimmer.

Selbstverständlich befindet sich eine Person, die schreiend und winkend um Hilfe ruft, in einer ernsthaften Situation. Anders als beim tatsächlichen Ertrinken, können sich die betroffenen Personen an ihrer eigenen Rettung beteiligen und z. B. nach Rettungsleinen oder -ringen greifen. Dieser Zustand wird als Wassernotsituation bezeichnet. Eine Wassernotsituation muss nicht zwangsläufig vor einer instinktiven Reaktion auf das Ertrinken auftreten.

Weitere wichtige Anzeichen des Ertrinkens

Sie sollten unbedingt auf folgende Anzeichen des Ertrinkens achten:

  • Kopf befindet sich tief im Wasser mit dem Mund auf Höhe der Wasseroberfläche.
  • Kopf ist nach hinten geneigt und der Mund geöffnet.
  • Augen sind glasig und leer und können nicht fokussieren.
  • Augen sind geschlossen.
  • Haare hängen vor der Stirn oder den Augen.
  • Beine werden nicht benutzt – Vertikal.
  • Beschleunigte Atmung oder Schnappen nach Luft.
  • Versucht, in eine bestimmte Richtung zu schwimmen, kommt aber nicht voran.
  • Versucht sich auf den Rücken zu drehen.

Sollte also ein Rettungsschwimmer über Bord gehen und es sieht so aus, als wäre alles in Ordnung – seien Sie sich nicht zu sicher. Manchmal ist der einfachste Hinweis darauf, dass jemand ertrinkt, dass er nicht so wirkt, als würde er ertrinken. Es wirkt vielleicht einfach so, als würde er Wasser treten und nach oben auf das Deck sehen.

Wie kann man sich wirklich sicher sein? Fragen Sie: „Geht es Dir gut?“ Wenn derjenige das beantworten kann – geht es ihm wahrscheinlich gut. Wenn er mit einem leeren Blick antwortet – haben Sie vielleicht weniger als 30 Sekunden Zeit, ihn zu retten.

Und an die Eltern: Kinder, die im Wasser spielen, machen Lärm. Wenn sie still werden, kann es schon zu spät sein.

Lautloses Ertrinken – Kurzfilm der SLRGSchweiz

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